Bonn, 05.07.2024 – Die künstliche Intelligenz (KI) oder englisch artificial intelligence (AI) ist aktuell in aller Munde und fasziniert mit schnellen Ergebnissen auf einfache Fragen in Wort und Bild. ChatGPT kennt wahrscheinlich jeder Studierende und jedes Landschaftsarchitekturbüro. Der professionelle Einsatz dieser und weiterer KI wird jedoch bisher kaum beschrieben. Wie alle neuen Technologien gibt es gegenüber der KI Vorbehalte, genauso wie eine schnelle Aneignung. Die Hochschulkonferenz Landschaft (HKL) hat sich mit diesem Spektrum bei ihrer Konferenz am 25. und 26. April in Weihenstephan mit einführenden Vorträgen von Professor Olaf Gerhard Schroth aus Weihenstephan, Professor Christian Graf aus Rapperswil sowie der Arbeitsgruppe AI4Life in Weihenstephan befasst.
Das Europäische Parlament beschreibt Künstliche Intelligenz als „die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren“ (20.06.2023). Der Begriff ist entgegen häufiger Vermutungen nicht neu, er wurde bereits 1956 von John McCarthy bei dem von ihm organisierten „Summer Research Project on Artificial Intelligence“ am Dartmouth College, Hanover, New Hampshire in den USA verwendet. Der Turing-Test zum Nachweis der Intelligenz von Computern wurde bereits 1950 in England von Alan Turing entwickelt. Den ersten Chatbot ELIZA, der menschliche Sprache verarbeiten konnte, entwickelte der deutsch-US-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum schon 1966. Insofern hat die Künstliche Intelligenz eine lange Entwicklung hinter sich, ist jedoch in den letzten wenigen Jahren als Sprachmodell und für die Erzeugung von Bildern massentauglich geworden.
Birgit Schmidt, Professorin für Objektplanung in der Landschaftsarchitektur an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, hatte die HKL in das Salettl im Hofgarten der Hochschule eingeladen. Sie gab zunächst Fragen in den Raum, die sich Lehrende und in der Landschaftsarchitektur Tätige aktuell stellen: Wird KI das Entwerfen lernen oder gar ersetzen? Kann KI kreativ werden? Verschafft uns KI mehr Zeit für das Entwerfen? Aber auch: Ist der KI-Hype schnell wieder vorbei?
Professorin Sabine Homann-Wenig, Vizepräsidentin der Hochschule, erläuterte, dass die Arbeitsgruppe AI4Life etabliert wurde, die sich mit Herausforderungen sowie dem Einsatz von KI in der Lehre und als Hilfsmittel im Studium befasst. Von AI4life werden Möglichkeiten und Empfehlungen für die Hochschule entwickelt, wobei der Anspruch bestehen bleibt, dass das Motto „Applied Sciences for Life“ erste Priorität behält. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Bereitstellung geeigneter technischer Lösungen, der Vermittlung methodischer Kompetenzen sowie verbindlichen Regeln zur Nutzung von KI und der Integration von Kompetenzen für die KI-Nutzung in Curricula. Sie hinterfragt bisherige Prüfungsformate und will Lehrende und Lernende durch gezielte Handreichungen unterstützen.
Professor Olaf Gerhard Schroth von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ging in seinem Vortrag auf KI-gestützte Bildgeneratoren in der Landschaftsarchitektur ein. Dank verbesserter Bild- und Spracherkennung konnte beispielsweise die Satellitenbildauswertung verbessert werden und durch „Deep Learning“ können Eingabeaufforderungen, sogenannte Prompts, für die Bildgenerierung genutzt werden. In einer Disziplin wie der Landschaftsarchitektur, in der Bilder und Visualisierungen wichtige Werkzeuge darstellen, sind diese Möglichkeiten genau zu betrachten, wobei es allgemeine wie auch zunehmend spezialisierte Software für Architektur und Landschaftsarchitektur gibt. Allgemeine Visualisierungen für die Ideenentwicklung sind sicher bekannt und werden reichlich generiert. Professor Schroth hingegen experimentierte weitergehend mit der Visualisierung einer Pflanzplanung, der Entwicklung von Varianten von Landschaftsbildern mit Windkraftanlagen, mit der Erzeugung von Texturen für Visualisierungen und der Verwendung einer 3D-Punktwolke. Er erreichte insgesamt recht gute und teilweise überzeugende Ergebnisse, stellte aber auch kritisch zu sehende Aspekte der KI heraus, wie z. B. sogenannte „Halluzinationen“, noch unklare Urheberrechte und die Erzeugung von Stereotypen.
Professor Christian Graf von der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil stellte in seinem Vortrag „KI im Planungs- und Entwurfsprozess – Künstliche Intelligenz in der Lehre“ Beispiele vor, wie mit KI aufgrund einer kurzen Beschreibung eines Beetes und einer vorgegebenen Anzahl an Pflanzenarten eine Pflanzenliste erzeugt wurde. Zugleich probierte er auch den Einsatz von KI für eine komplexere Freianlagenplanung in einem Wohngebiet aus. Dafür wurden drei Alternativen mittels einer KI erzeugt, eine dagegen von Studierenden. Befragte Probanden konnten nicht unterscheiden, welches Ergebnis KI-generiert oder auf herkömmlich Art entstanden ist. Als Favorit wurde eine Variante benannt, die mithilfe des Einsatzes von KI erarbeitet wurde. Auch Prof. Graf zeigte viele Beispiele, wie sich durch kurze Prompts ansehnliche Bilder erzeugen lassen, die allerdings bei genauerem Betrachten fehlerhaft oder nicht umsetzbar sind. So kann KI beispielsweise auch neue Pflanzenbilder kreieren, deren Umsetzung dann jedoch nicht möglich ist, da die für den vermittelten Eindruck benötigen Pflanzen nicht zur Verfügung stehen bzw. nicht in der dargestellten Art und Weise wachsen können. KI produziere also auch Nonsens. Professor Graf fasste zusammen, dass sich der Entwurfsprozess ändern, sogar umkehren könne. Ausgehend von einem Bild, bisher häufig der letzte Schritt in einem Planungsprozess, könnte nun von einer zuerst erzeugten Visualisierung die Planungsidee quasi rückwärts zu einem vollständigen Entwurf erarbeitet werden.
„Die KI zeigt uns, dass wir uns der Entwicklung der Welt anpassen müssen; die Welt wird sich nicht uns anpassen.“, so Prof. Graf. Dass das Thema auch für Büros der Landschaftsarchitektur brennend aktuell ist, äußert sich u. a. darin, dass die von ihm organisierten Fortbildungskurse schnell ausverkauft waren. Die Branche will sich dringend weiterbilden.
Die ausführliche und teils kontroverse Diskussion während der HKL-Sitzung machte allen Beteiligten deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Hochschulen und in der Landschaftsarchitektur Tätige mit dem Thema KI befassen. Eindrücklich war auch, wie wichtig Bilder für die Profession sind. Es wurde sogar vorgeschlagen, dass Visualisierungen in Wettbewerben nicht gezeigt werden, damit sich die Jury stärker auf den Entwurf konzentrieren kann. Sicher ist, dass jeder Entwurf ein iterativer Prozess bleibt, in dem sich intensiv mit dem Ort auseinandergesetzt werden muss und ökologische sowie soziale Aspekte, nachhaltige Pflege, die Baubarkeit und weitere Aspekte berücksichtigt werden müssen. Aus Bildern allein kann weder ein Projekt mit maßstäblich korrekten Zeichnungen entwickelt, noch kann aus einem Bild eine Ausführung abgeleitet werden. Daher wird KI zukünftig eine noch größere Rolle für die Landschaftsarchitektur spielen, sie jedoch allein nicht übernehmen können.
Dass die Landschaftsarchitektur eine eher kleinere Disziplin ist, könnte ein Nachteil sein, weil die KI-Software weniger „trainiert“ wird als es bei anderen, größeren Disziplinen der Fall ist. Auch die Finanzierung und die Kosten, die hinter der Entwicklung einer KI stehen, sind zu beachten. Und nicht zuletzt ist der durch riesige hinterlegte Datenmengen immense Energieverbrauch nicht gerade klimafreundlich, was eine Disziplin, die sich Klimaschutz auf die Fahnen schreibt, zum Nachdenken auffordern sollte.
Übrigens forderte Joseph Weizenbaum nach dem Erfolg seines Chatbots ELIZA vehement den kritischen Umgang mit Computern und die Verantwortung der Wissenschaft. Die Entscheidungen müssen in menschlicher Hand bleiben, künstliche Systeme dürfen nur als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung herangezogen werden. 1972 formulierte er die folgenden Fragen, heute Weizenbaum-Test genannt, bezüglich des gesellschaftlichen Nutzens von Anwendungen künstlicher Intelligenz:
- Wer wird profitieren?
- Wer wird die Kosten tragen?
- Was bedeutet die Technologie für zukünftige Generationen?
- Was sind die Implikationen nicht nur für die Wirtschaft und internationale Sicherheit, sondern auch für unseren Begriff des Menschseins?
- Ist die Technologie umkehrbar?
- Welche Grenzen sollten ihrer Anwendungen auferlegt werden
Wie aktuell die Fragen heute noch sind, vielleicht mehr als damals?!
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HKL: Die Hochschulkonferenz Landschaft (HKL) ist ein Zusammenschluss von Universitäten und Hochschulen, an denen Landschaftsarchitektur, Landschafts- und Umweltplanung, Landschaftsbau oder angrenzende Disziplinen gelehrt werden sowie berufsständiger Organisationen der Grünen Branche. Die HKL-Geschäftsstelle wird von der FLL betreut.